Atmende Wände - Wahrheit oder Irrtum
Den Begriff „atmende Wände“ gibt es seit 36 Jahren
Die Theorie über „atmende Wände“ geht auf Max von Pettenkofer zurück. Er hat in den 80er Jahren Luftwechsel-Messungen in einem Raum durchgeführt, in dem sämtliche Fugen abgedichtet wurden. Er hat festgestellt, dass sich danach die Luftwechselrate weniger als erwartet verminderte und begründete dies mit einem enormen Luftaustausch durch die Ziegelwände. Im Grunde genommen wollte er mit diesem Begriff Assoziationen zu Natürlichkeit und Ökologie wecken. In Wirklichkeit stecken dahinter keine bautechnischen und raumklimatischen Vorteile.
Irrtum Nr. 1: Abtransport von Luftfeuchtigkeit
Oft geht man als Laie davon aus, dass atmungsaktive Wände für den Feuchteaustausch und den Abtransport von Schadstoffen aus dem Raum zuständig sind. Es ist wahr, dass der Wasserdampf aus warmen, feuchten Innenräumen durch die Wände zur kälteren Außenluft gelangt. Diese Wasserdampfdiffussion erfolgt auch bei sehr atmungsaktiven Baustoffen so langsam, dass der Einfluss auf das Raumklima vernachlässigt werden kann.
Irrtum Nr. 2: Zufuhr von Frischluft
Sie können Ihren Wohnraum nur durch richtiges Lüften mit Frischluft versorgen – und das geschieht eben nicht über atmende Wände. Dabei ist es wichtig, dass Sie querlüften: Alle paar Stunden 1-5 Minuten die Fenster und Türen vollständig öffnen. Eine andere Alternative wäre eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, wo die Zufuhr frischer Außenluft und die Abfuhr verbrauchter Raumluft vollkommen mechanisch mithilfe von Lüftern stattfinden. Schon in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wussten die Leute, dass verputzte Wände luftdicht sind und der Luftsaustauch und Feuchtigkeit-Transport durch Fensterlüftung in Form von Fensterritzen erfolgt.
Tipp: Das Kippen der Fenster ist keine erfolgsversprechende Lüftungsmethode. Ständig gekippte Fenster führen im Winter zu Oberflächenkondensation und in der Folge zur Schimmel-Bildung.
Irrtum Nr. 3: Feuchteausgleich über die Wände
Wände haben eindeutig nicht die Fähigkeit, Feuchteschwankungen in der Raumluft auszugleichen. An der Stelle muss man nämlich zwischen Wand und Oberflächenbeschichtungunterscheiden. Feuchteausgleichende Prozesse (Hygroskopizität) finden in den Wänden tatsächlich statt – aber nur in den ersten 8 bis 13 mm der Wand. Aus diesem Grund werden die Wände mit Innenputzen von meistens 15 mm stark verputzt.
Wenn man dickere Putze verwendet, kommt keine Verbesserung des Feuchteausgleichs zustande. Alle in der passenden Stärke aufgetragenen Putze speichern anfallende Feuchtemengen und geben diese wieder ab. Besonders gute Eigenschaften weisen vor allem
- Naturfaser
- Papier
- poröse Holzweichfaserplatten
auf. Mit mineralischen Gips-, Kalk- und Lehmputzen erreichen Sie ebenso zufriedenstellende Werte. In diesem Zusammenhang lässt sich tatsächlich von „Atmung“ sprechen, aber im Sinne von „Oberflächenatmung“ – und nicht von atmenden Wänden.
Durch atmende Wände kommt es zu Bauschäden
Alle undichten Bauteile beeinträchtigen die Wohnbehaglichkeit. Ein häufiger Grund für Feuchteschäden ist auf Tauwasserausfall durch Luftströme in undichten Wandzonen zurückzuführen. In der kalten Luft kondensiert in den undichten kälteren Stellen lokal Wasserdampf, was die Bausubstanz schon innerhalb eines Tages zerstören kann.
Der Mythos der „atmenden Wand“ ist also eindeutig widerlegt: Mit einer luftdichten Gebäudehülle vermeiden Sie Heiz- und Wärmeverluste sowie verschiedene Bauschäden.
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